Buchkritik: „Ich bin Zlatan Ibrahimović“

Die Karriere von Zlatan Ibrahimović habe ich schon immer aufmerksam verfolgt, aber ein Spiel ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Das WM-Qualifikationsspiel Deutschland gegen Schweden im Oktober 2012 in Berlin war nach knapp einer Stunde bereits entschieden. Die deutsche Mannschaft führte 4:0 und hatte die Nordmänner streckenweise vorgeführt. Zlatan war offensichtlich not amused, aber er hatte die Begegnung noch nicht abgeschrieben. Er trieb seine Mannschaft nach vorne, spielte überragend und am Ende konnten die Deutschen froh sein, dass das Spiel 4:4 endete. In seiner Autobiographie spielt diese Begegnung keine Rolle, aber das Buch gibt Einblick in das Leben eines besonderen Fußballers, der sich den Mund nicht verbieten lässt und Klartext redet.

Zlatan Ibrahimovic bei der EM 2012 gegen Frankreich (Foto: Дмитрий Неймырок, Lizenz (CC BY-SA 3.0)

Zlatan Ibrahimovic bei der EM 2012 gegen Frankreich (Foto: Дмитрий Неймырок, Lizenz: CC BY-SA 3.0)

Anders als viele Biographien beginnt Ibrahimović mit seinen Aufzeichnungen nicht in seiner Jugend, sondern stellt seine Auseinandersetzung mit Startrainer Pep Guardiola beim FC Barcelona an den Anfang. Barcelona war der Traumverein des Stürmers, der in der besten Mannschaft dieser Zeit seine Karriere mit internationalen Titeln krönen wollte. Als teuerster Transfer der Vereinsgeschichte fand Zlatan sich trotz ordentlicher Leistung und einigen Toren letztendlich auf der Bank wieder. Warum, kann er sich nicht erklären und Guardiola stellte die Kommunikation zu seinem als eigenbrötlerisch geltenden Star ein. Es herrschte Eiszeit, obwohl sich Ibrahimović nicht wirklich etwas zuschulden hat kommen lassen und sein oft aufbrausendes Wesen beim großen FC Barcelona weitgehend im Griff hatte. Es wird deutlich, dass der junge Trainer offenbar Probleme mit eigenwilligen Spielern hat, neben Ibrahimović sollten dies auch Samuel Eto’o oder Thierry Henry zu spüren bekommen, die ebenfalls trotz guter Leistungen bald aufs Abstellgleis geschoben wurden. Man muss nur an Bayerns Mario Mandžukić denken, um zu erkennen, dass sich dieser Wesenszug Guardiolas wohl auch heute noch nicht geändert hat. Zlatan gab jedoch nicht klein bei und wurde letztendlich zum AC Mailand transferiert, dank des Verhandlungsgeschicks von Spieler und Berater ein gigantisches Verlustgeschäft für Barcelona und ein großartiger neuer Vertrag für Zlatan. Und der schwarze Peter lag beim „Philosophen“ Guardiola.

Eins macht die Biographie von Zlatan Ibrahimović aber auch deutlich: Bei fast allen Vereinen ging er trotz großer Erfolge im Streit. Lange hielt er es bei keinem Arbeitgeber aus. In der öffentlichen Wahrnehmung gilt Ibrahimović als Inbegriff des modernen Fußballsöldners, seine Lebensgeschichte bietet aber einige Erklärungen für den Verlauf der Karriere. In der rauen Umgebung einer trostlosen Vorstadt im schwedischen Malmö muss der junge Zlatan von klein auf um seine Position kämpfen. Kleinkriminalität und Straßenfußball bestimmen sein Leben, die schwierigen Familienverhältnisse tragen mit dazu bei, dass er immer Probleme hatte sich unterzuordnen. Trotz seines Talents findet er nur schwer Fuß in Sportvereinen, zu aufbrausend ist sein Wesen und zu eigensinnig sein Spiel. Eine Bindung zu einem Heimatverein hat er nie, auch nicht als der große Ortsverein Malmö FF ihm die Chance gibt, in dessen Jugendmannschaft zu spielen. Von da an geht es rasant nach oben. Trotz großer Anpassungsprobleme lässt er das Nachwuchsteam schnell hinter sich und wird in die erste Mannschaft berufen. Nach nur einer Saison wird er von Ajax Amsterdam entdeckt und wechselt in die Niederlande. Eine andere Welt für den Vorstadtjungen, der seine Unsicherheit mit Aggressivität und coolen Sprüchen kaschiert. Der Skandalfußballer Zlatan betritt die internationale Bühne. Von Ajax geht es weiter nach Italien, wo er mit Juventus, Inter und dem AC Mailand große Erfolge feiert. Er wird zum Megastar und die Presse stürzt sich auf das nach außen extravagante Leben des Fußballers. Und er bietet ihnen reichlich Futter. Am Ende findet er in seiner Familie mit Frau und Kindern die nötige Sicherheit, die ihn vom Ausnahmestürmer zur Führungspersönlichkeit macht. Trotz aller Erfolge ist es alles andere als eine Bilderbuchkarriere geprägt von Toren, Platzverweisen und Skandalen.

Für Fußballfans ist „Ich bin Zlatan Ibrahimović“ eine äußerst interessante Lektüre, bekommt man doch einmal einen ganz anderen Blick auf das Geschäft und seine Protagonisten. Zlatan ist äußerst nachtragend, hat man einmal seine Wut auf sich gezogen, ist es schwer, aus der Nummer noch einmal herauszukommen. Neben Pep Guardiola gibt es noch eine ganze Reihe von Personen, die alles andere als gut wegkommen. Louis van Gaal erlebte er zum Beispiel in seiner Zeit bei Ajax als schwierigen Vorgesetzten, den er nie wirklich ernst nehmen konnte. Aber von vielen spricht Zlatan auch voller Respekt, interessanterweise vor allem Persönlichkeiten mit einer natürlich Autorität. Fabio Capello formte aus dem Schönspieler eine Tormaschine, zu José Mourinho hat er noch immer ein besonders enges Verhältnis. Von engen Freundschaften berichtet Zlatan in seinem Buch äußerst wenig, das Fußballgeschäft scheint hierfür nicht das beste Umfeld zu sein. Und Zlatan bleibt in diesem Geschäft irgendwie ein Fremdkörper, obwohl er es vielleicht verkörpert wie kaum ein anderer. Verpflichtet allein sich selbst und der eigenen Karriere, sind Vereine ausschließlich Arbeitgeber, für die er zwar alles einsetzt, die aber nur Bausteine in seinem eigenen Karriereplan sind. Das kann man mögen oder auch nicht, aber diese Einstellung ist mir immer noch lieber als die verlogenen Trikotküsser, die wenig später begeistert bei einem anderen Verein unterschreiben.

Fazit: Keine Fußballerbiographie vom Reißbrett, sondern eine interessante und spannende Lektüre, die einem genialen Fußballer und schwierigen Menschen durchaus gerecht wird.


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